Patientenversorgung, Ausbildung und Klinische Forschung
der Bundeswehrkrankenhäuser im Wechsel der Zeiten!
Patient Treatment, Training, and Clinical Research in Bundeswehr Hospitals in Changing Times!
Benedikt Friemerta, Martin Kullab, RobertSchwabc
a Bundeswehrkrankenhaus Ulm – Zentrales klinisches Management
b Bundeswehrkrankenhaus Ulm – Klinik für Anästhesiologie, Department für AINS
c Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr – Abteilung C, Koblenz
Zusammenfassung
Von den ehemals 16 Bundeswehrkrankenhäusern (BwKrhs) sind heute noch fünf vorhanden. Diese Entwicklung ist das offensichtlichste Zeichen einer sich seit der Wiedervereinigung Deutschlands verändernden Situation in der Bundeswehr und damit im Sanitätsdienst. Militärisch hat sich die Bundeswehr im Laufe der letzten 30 Jahre von einer reinen Verteidigungsarmee in eine Einsatzarmee entwickelt. Mit der Annexion der Krim durch Russland gewann der Aspekt der Fähigkeit zur Landesverteidigung und der Erfüllung aller Pflichten im Rahmen des NATO-Bündnisses wieder deutlich an Bedeutung. Spätestens der Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022 erfordert es, die weitreichenden Umstrukturierungen innerhalb der Bundeswehr und des Sanitätsdienstes zu beschleunigen.
Da die BwKrhs fest in die zivilen Versorgungsstrukturen eingebunden sein müssen, kommen aber zusätzlich noch erhebliche Veränderungen durch die zivilen Organe wie den Gesetzgeber, die Planungsausschüsse der Länder, den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) u.v.m. hinzu. Besonders erwähnenswert sind auch Neuerungen in den Rahmenbedingungen, wie der neuen ärztlichen Weiterbildungsordnung, neuen Krankenhausgesetze (Transparenzgesetz und Versorgungsverbesserungsgesetz), Mindestmengen und Leistungsgruppen. Daher müssen die BwKrhs so weiterentwickelt werden, dass sie für beide Bereiche resilient aufgestellt sind, um auch in Zukunft Ihren Kernauftrag erfüllen zu können. Diese Herausforderungen sollen in diesem Aufsatz etwas näher dargestellt werden.
Schlüsselwörter: Bundeswehrkrankenhäuser, Auftrag, zivil-militärische Zusammenarbeit, Landes- und Bündnisverteidigung, Ausbildung
Summary
Five out of the previously existing 16 Bundeswehr hospitals are currently fully operational. This development is the most obvious sign of a changing situation in the Bundeswehr and thus in the medical service since the reunification of Germany. In military terms, the Bundeswehr has evolved from a purely defensive army to an operational force over the past 30 years. With Russia’s annexation of Crimea, the importance of defending the country and meeting NATO alliance obligations has become significantly more crucial. At the latest, Russia’s attack on Ukraine in 2022 will require the extensive restructuring of the Bundeswehr and the medical service to be expedited. Since the Bundeswehr hospitals must be fully integrated into civilian healthcare structures, significant changes are being made by civilian bodies, including the legislature, planning committees of the federal states, the Joint Federal Committee (G-BA), and others more. Changes in framework conditions include new medical training regulations, hospital laws (Transparency Act and Care Improvement Act), minimum quantities, and performance groups. The Bundeswehr hospitals need to be established and improved to ensure they are resilient in both areas, enabling them to fulfill their core mission in the future. These challenges will be further detailed in this article.
Keywords: Bundeswehr hospital; mission; civil military cooperation; national and alliance defence; training
Hintergrund
Einsatzbereitschaft und Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr sind maßgeblich von einer funktionierenden Gesundheitsversorgung durch den Sanitätsdienst abhängig. Die Bundeswehrkrankenhäuser (BwKrhs) nehmen als die einzigen Krankenhäuser des Bundes mit ihrer grundständigen Finanzierung eine herausgehobene Position zur militärischen Auftragserfüllung, insbesondere für die fachliche Leistungsfähigkeit im Einsatz und die spezielle Weiterentwicklung der Wehrmedizin, ein. Der aus Artikel 33 IV Grundgesetz (GG) abgeleitete hoheitliche Auftrag der BwKrhs umfasst die Sicherstellung der sanitätsdienstlichen Versorgung im Grund-/Regelbetrieb (GB/RB) des Inlands, im Einsatz im Kontext des internationalen Krisenmanagements (IKM) sowie bei der Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) auch die abschließende klinische Role 4-Behandlung von Verwundeten, Verletzten und Erkrankten nach deren Rückführung in das Heimatland (Abbildung 1).
Abb. 1: Auftrag der Bundeswehrkrankenhäuser
Folgende grundsätzliche Rahmenvorgaben stellen die Auftragserfüllung sicher:
- Zentral gesteuerte Ausbildung und Laufbahngestaltung in der Gesamtverantwortung des Inspekteurs des Sanitätsdienstes, mit dem Ziel der Qualifikation entlang ziviler fachlicher Standards,
- arbeitstägliche Kompetenzentwicklung des ärztlichen und nichtärztlichen Fachpersonals der Einheiten und Verbände des Sanitätsdienstes über die Arbeit am Patienten in den Gesundheitseinrichtungen der Bundeswehr,
- Befähigung der Bundeswehrkrankenhäuser zur Versorgung komplexer Erkrankungs- und Verwundungsmuster über deren Einbindung in die regionale Versorgung ziviler Patientinnen und Patienten sowie der boden- und luftgebundenen Rettung sowie
- Einsatzerfahrung der Weiterbildungsbefugten und deren wissenschaftliche Ausrichtung im Hinblick auf die ressorteigene translationale Forschung und Entwicklung.
Die Grundpfeiler dieser fachlichen Exzellenz basieren auf der Integration in das zivile Gesundheitssystem und schließen Kooperationen mit zivilen Partnern ein. Dabei sind die Abhängigkeiten von normativen Vorgaben zu beachten und weithin akzeptiert.
Bundeswehrkrankenhäuser zwischen Wiederaufstellung der Bundeswehr 1955
und Wiedervereinigung 1990
Neben der Bundeswehr an sich haben sich in den letzten Jahrzehnten nicht nur der Sanitätsdienst, sondern auch die Bundeswehrkrankenhäuser erheblich in Quantität und Qualität verändert bzw. vielmehr verändern müssen.
Mit der Aufstellung der Bundeswehr am 5. Mai 1955 erfolgte auch die Wiederbewaffnung; am 11. April 1956 wurde die Laufbahn der Sanitätsoffiziere ins Leben gerufen, und 1957 wurden die ersten Bundeswehrlazarette eingerichtet [2]. Die Ausgestaltung des damaligen Sanitätsdienstes erfolgte entlang der Bedürfnisse der Landes- und Bündnisverteidigung nach der Gründung der NATO am 4. April 1949 und orientierte sich an den Erfahrungen und sanitätsdienstlichen Grundsätzen des 1. und 2. Weltkrieges.
Diese waren gekennzeichnet durch schwerste Verletzungsmuster mit erheblichen Defektwunden und dem Wundbrand, hohen Verletztenzahlen und auch erheblichen Hygieneproblemen mit den darauffolgenden Erkrankungen. Daher wurde in Kriegszeiten auch Kriegsmedizin betrieben. Aufgrund der begrenzten Kapazitäten bedeutete dies, dass keine individualmedizinische Versorgung im Felde durchgeführt wurde. Auch war damals der Begriff der individualmedizinischen Versorgung noch nicht präsent.
Nachdem es 1991 kurz nach der Wiedervereinigung zum ersten Auslandseinsatz im Sinne des Internationalen Krisenmanagements (IKM) in Kambodscha gekommen war, wurde durch Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß, eingesetzt als erster Militärchirurg im ersten Einsatzlazarett der Bundeswehr in Phnom Penh, der Begriff der „Einsatzchirurgie“ und im Weiteren der Begriff der „Einsatzmedizin“ geprägt [6]
Bis zu diesem Zeitpunkt war der Sanitätsdienst fast ausschließlich auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet. Schnell war klar, dass mit den damals gültigen Konzepten (personell, materiell und infrastrukturell) die Aufgaben des IKM nicht zu bewältigen waren. Daneben ergaben sich durch die Wiedervereinigung und die mit dem Fall der Mauer zusammenhängende Erweiterung der NATO mit „Partnership for Peace“-Programmen, andere Rahmenbedingungen für die sanitätsdienstliche Planung.
Entwicklung nach der Wiedervereinigung
Einerseits wurde durch den damaligen Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Gunter Desch, in den beginnenden 1990iger Jahren eine völlig neue Maxime für die medizinische Versorgung der Soldaten festgelegt, die im Kern bedeutete, individualmedizinische Versorgung in den Einsatz zu transferieren, nachdem dieser Begriff in der zivilen medizinischen Welt immer weiter an Bedeutung gewonnen hatte [3]. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden die Konzepte der Kriegschirurgie aus dem 1. und 2. Weltkrieg umgesetzt. Die Maxime ist dabei nicht nur Attraktivitätsmerkmal eines sinnstiftenden Dienstes. Sie ermöglicht die notwendige Kompetenz zum Transfer zeitgemäßer Medizin in den Einsatz, eine gleichbleibend hohe fachliche Qualität der Versorgung für die gesamte Bundeswehr sowie die ressourcensparende Verwendung von Fachpersonal sowohl in unterschiedlichen Einsätzen als auch in der Versorgung von Patienten in Deutschland. Dazu wurde z. B. in Mazar-e-Sharif ein Feldlazarett mit soliden Gebäuden errichtet, einschließlich einer vollständigen Lagerinfrastruktur (Abbildungen 2 und 3).
Abb. 2: Luftbild des Feldlazaretts (helle Dächer) im Camp Marmal Mazar-e-Sharif, Afghanistan 2010 (Bildquelle Bundeswehr/ PIZ Afghanistan)
Abb. 3: Eingangsbereich des Feldlazaretts im Camp Marmal 2010 (Bildquelle: HP Becker)
Andererseits erfolgte über Jahre und Jahrzehnte hinweg ein beispielloser Abbau der Streitkräfte, da die Bundesrepublik Deutschland „nur noch von Freunden“ umgeben war und ein Krieg im klassischen Sinne in Europa nicht mehr für möglich gehalten wurde. Das bedeutete für die Bundeswehrkrankenhäuser (BwKrhs) eine Reduktion von 16 auf aktuell fünf. Somit stehen dem Sanitätsdienst seit dieser Zeit noch 1 850 Betten für die stationäre Behandlung zur Verfügung.
Neuausrichtung nach dem Kriegsbeginn Russlands gegen die Ukraine 2022
Die Konzeption des Sanitätsdienstes zur Landes- und Bündnisverteidigung der Jahre 1957–1990 erfuhr danach infolge der 30 Jahre dauernden IKM-Einsätze einen tiefgreifenden, auf wissenschaftlich fundierten Grundsätzen der Wehrmedizin basierenden Paradigmenwechsel. Vor dem Hintergrund der militärischen Aggression Russlands gegen die Ukraine erfolgte die damit zwingend notwendig gewordene Refokussierung der Streitkräfte auf die Landes- und Bündnisverteidigung. Dabei hat der Sanitätsdienst der Bundeswehr erhebliche Mängel bei fachlichen sowie militärischen Fähigkeiten und bei der Nachwuchsgewinnung im Hinblick auf die Landes- und Bündnisverteidigung erkannt.
Die geänderten Vorgaben und Rahmenbedingungen führten dazu, dass sich die Medizin und die medizinischen Versorgungskonzepte nicht nur im Sanitätsdienst, sondern auch in den BwKrhs verändern mussten. Diese Umstellungen sind den Bundeswehrkrankenhäusern in hervorragender Weise gelungen. So sind diese heute in die jeweiligen Landesbettenpläne eingebunden. Genauso wie in der zivilen Rettung sind sie verlässliche Partner und Leistungserbringer in der jeweiligen regionalen Gesundheitsversorgung. Damit besteht heute wieder eine sehr enge Verzahnung zwischen der Militär- und zivilen Medizin im Sinne der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ).
Im Hinblick auf die Landes- und Bündnisverteidigung war nun die Frage zu beantworten, ob die Maxime der IKM-Einsätze auch für LV/BV gelten sollte. Vom ehemaligen Inspekteur des Sanitätsdienstes der Bundeswehr, Generaloberstabsarzt Dr. Ulrich Baumgärtner, wurde festgelegt, dass im Hinblick auf die sanitätsdienstliche Planung der fachlichen Ausrichtung und der Kräftedispositive die gleichen Grundlagen gelten sollten wie für die Versorgung der IKM-Einsätze. Konkret bedeutet dies eine Versorgungsqualität von der Individualmedizin im Einzelfall bis hin zu abgekürzten Behandlungsprinzipien beim Massenanfall von Verwundeten.
Damit mussten sich nun die BwKrhs auch mit der Frage beschäftigen, welche Veränderungen dieses mit sich bringen würde. Im Kern geht es hierbei um die Frage, inwieweit die großen Mengen an zu erwartenden verwundeten Soldaten (500–1 000 täglich bei hoher Kampfintensität) hier im Heimatland zu versorgen sind. Die medizinisch-fachlichen Konzepte der individualmedizinischen Versorgung im Felde können dabei aus der IKM-Zeit in großen Teilen übernommen werden.
Herausforderung: Zivil-militärische Zusammenarbeit der Bundeswehrkrankenhäuser mit dem nationalen Gesundheitswesen
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich nicht nur die zivilen Rahmenbedingungen erheblich gewandelt. Hier hat sich über die Jahrzehnte eine Professionalisierung und Diversifizierung entwickelt, die dem modernen Credo der Spezialisierung folgt. Heute gibt es Berufsbilder wie den Notfallsanitäter, den Operationstechnischen Assistenten u.v.m., die es in den 1990er und 2000er Jahren nicht gab. Eine Versorgung unserer Patienten im Heimatland wie im Ausland ist heute nicht mehr mit einem „Sani“, einem Narkosegehilfen oder einem Teilnehmer am Instrumenteur-Lehrgang umsetzbar, um nur einige plakative Beispiele zu nennen. Auch im ärztlichen Bereich reicht heute die Qualifikation eines Facharztes für Innere Medizin oder Allgemeinchirurgie nicht mehr aus, den Anforderungen einer „auf deutschem Facharztniveau liegenden Behandlungsqualität“ zu genügen. Vielmehr sind die entsprechenden weitergehenden Spezialisierungen, wie beispielsweise Kardiologie oder Gefäßchirurgie, gefragt, um den Erfordernissen und Qualitätsvorgaben gerecht zu werden.
Diese Entwicklung hat naturgemäß auch vor den BwKrhs nicht Halt gemacht; ganz im Gegenteil, es wäre nicht erklärbar, warum ein Soldat, der im Einsatz oder Krieg verwundet wird, nicht auf dem gleichen Niveau behandelt werden sollte, welches ein ziviler Bundesbürger im Inland erfährt. Es gelten aus gutem Grunde die gleichen Qualitäts- und Sicherheitskriterien innerhalb der Bundeswehr wie auch in zivilen Krankenhäusern. Dies ist keine Eigenheit des Sanitätsdienstes, so gelten beispielsweise auch für die Luftwaffe Regeln des zivilen Flugverkehrs. Es wäre darüber hinaus auch wünschenswert, die Verwundung und Verletzung eines Soldaten im Dienst analog zu einem Berufsunfall zu betrachten und in das Sozialgesetzbuch VII mit aufzunehmen.
Da wir die Spielregeln der zivilen medizinisch-wissenschaftlichen Welt vollumfänglich umsetzen müssen, wirken selbige auch in die BwKrhs hinein. Sämtliche zivilen Rahmenbedingungen wie Gesetze, Mindestmengenregelungen, Neuordnung der Krankenhausplanung durch die Einführung von Leistungsgruppen, neue Weiterbildungsordnungen, Arbeitszeitgesetz, Entgeltverhandlungen usw. müssen von den BwKrhs erfüllt werden, damit sie in die zivile Patientenversorgung integriert bleiben. Der Zugang zur Versorgung von Zivilpatienten ist für die Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie den Kompetenzerhalt unseres medizinischen Fachpersonals unabdingbare Voraussetzung zur Auftragserfüllung.
Wie in allen Bereichen des Lebens hat sich auch in der klinischen Medizin der Verwaltungsaufwand erheblich verändert. Dieser ist mit Mitteln der 2000er Jahre nicht mehr zu bewältigen. Nur moderne Verwaltungsstrukturen, IT-Unterstützung und Führungselemente werden uns befähigen, die Aufgaben der aktuellen Gesetzgebungsverfahren wie dem Krankenhaustransparenzgesetz, dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) und andere zu bewältigen.
Wehrmedizinische Forschung
Aufgrund der geänderten Rahmenbedingungen trat nun die Forschung ebenfalls mehr in den Vordergrund. Auch die Militärmedizin differenziert sich immer mehr aus, sodass auch der spezifische militärmedizinische Forschungsbedarf eine größere Bedeutung erlangte. So war es nur folgerichtig, dass seit 2019 Forschung als fester Bestandteil des Auftrages eines BwKrhs in die Sollorganisation aufgenommen wurde. Gemäß ZDv A-820/1 „Wehrmedizinische Forschung“ Ziffer 101 ist diese „... ein integraler Bestandteil der Sicherstellung der Gesundheitsversorgung der Bundeswehr...“.
Nach einer langen Historie von Terroranschlägen in Europa war spätestens im Jahr 2015/16 mit den Attentaten in Paris und Brüssel klar, dass auch Deutschland sich mit diesem Phänomen auseinandersetzen musste. Dieses betraf wesentlich auch die medizinische Versorgung der Verwundeten, denn die Terroristen nutzten mehrheitlich Kriegswaffen, sodass im zivilen Bereich nun plötzlich Kriegswunden zu versorgen waren. Da nach 70 Jahren Frieden die Kenntnisse der Militärmedizin im zivilen Bereich nicht mehr vorhanden waren, entwickelte sich zwischen der zivilen Medizin über die medizinischen Fachgesellschaften und dem Sanitätsdienst eine dringend notwendige Allianz, um dieses spezifische Wissen in den zivilen Sektor zu transferieren. Allen voran agierte die deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU), die zu diesem Thema zusammen mit dem Sanitätsdienst einen Fünf-Punkte-Plan 1.0 entwickelte und umsetzte. Andere Fachgesellschaften haben sich diesem Beispiel der Zusammenarbeit angeschlossen, sodass inzwischen sehr viele Kursformate existieren, die gemeinsam entwickelt wurden, um den Mitarbeitenden in zivilen Kliniken das nötige Know-how zur Bewältigung solcher Ereignisse zukommen zu lassen. Dieses ist für die zivil-militärische Zusammenarbeit (ZMZ) ein echtes Erfolgsmodell geworden. Inzwischen wurde ein Fünf-Punkte-Plan 2.0 mit folgendem Inhalt veröffentlicht: (Tabelle 1).
Tab. 1: Fünf-Punkte-Plan 2.0 der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, (Arbeitsgruppe Einsatz-, Katastrophen- und taktische Chirurgie) zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung in besonderen Katastrophen und bei möglichen Terroranschlägen [4]
Zwischenbilanz
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine feste Integration der BwKrhs in das zivile Gesundheitssystem zur Sicherstellung einer hochwertigen medizinischen Versorgung der uns anvertrauten Patienten, insbesondere unserer Kameraden im Einsatz und/oder an der Front, unabdingbar ist. Die BwKrhs sind die zentralen Ausbildungsstätten für einen sehr breiten Bereich der medizinischen ärztlichen wie nichtärztlichen Berufe. Aus-, Fort- und Weiterbildung ist Auftrag, Selbstverständnis und Passion der BwKrhs zugleich. 25 % aller „Sanitätssoldaten“ haben einen großen Teil ihrer Aus-, Fort-und Weiterbildung an einem BwKrhs durchgeführt. Neben den eigenen Ärzten und Pflegern werden auch kommandierte Sanitätsoffiziere Arzt für den jeweiligen Facharzt, die ATB-Rettungsmedizin und verschiedene Zusatzweiterbildungen fort- und weitergebildet.
Ebenso ist die Ausbildung des weiteren nichtärztlichen medizinischen Personals wie dem Notfall- und Rettungssanitäter an den Bundeswehrkrankenhäusern implementiert und die Ausbildung von Nichtsanitätspersonal in notfallmedizinischen Maßnahmen von diesen geprägt und entwickelt worden.
Zusätzlich stellen sie das Fachpersonal für alle Formen der militärischen Aufträge vom geplanten internationalen Kontingenteinsatz über den strategischen Patiententransport bis zu Evakuierungsoperationen oder der Unterstützung von Spezialkräften und den Aufträgen im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung. Aus diesem Grunde ist die Forschung ein unabdingbares Tool, um eine moderne Medizin sicherzustellen, wenn es um die spezifischen wehrmedizinischen Fragestellungen geht.
Aktuelle Herausforderungen für die Bundeswehrkrankenhäuser
Der aktuelle Ukrainekrieg hat Deutschland und auch die NATO – so könnte man annehmen – aus dem Dornröschenschlaf des friedlichen Europas erweckt. Es fühlte sich an wie das morgendliche Wecken in einer Grundausbildungskompanie. Selbstverständlich gab es schon Jahre vorher klare Anzeichen dafür, was passieren sollte, was wir alle jedoch nicht wahrhaben wollten.
Umso dramatischer sind nun die Herausforderungen, die auf uns alle und damit auch auf den Sanitätsdienst und die BwKrhs zukommen: Landes- und Bündnisverteidigung (LV/BV) ist zu einer zentralen Aufgabe des Staates, der Bundeswehr, des Sanitätsdienstes und der BwKrhs geworden.
Behandlungskapazität
Für den Sanitätsdienst ist die erste wesentliche Erkenntnis, dass, anders als bei den IKM-Einsätzen, die Betten der BwKrhs nicht ausreichen werden, um unsere verwundeten und erkrankten Kameraden versorgen zu können. Mit lediglich ca. 1 850 Betten werden wir bei einem LV/BV-Szenario, bei dem die BwKrhs im Hinblick auf die Behandlung von Patienten nicht mit der vollen Kapazität zur Verfügung stehen, nicht weit kommen. Dieses ist damit begründet, dass ein großer Teil des militärischen Personals sich dann an der Front befinden wird. Um dies etwas auszugleichen, müssen Reservisten in die BwKrhs beordert werden. Die hierfür notwendigen Konzeptionen müssen noch erarbeitet werden. Gegebenenfalls können die High-Care-Kapazitäten aus Reserven des zivilen Bevölkerungsschutzes ausgebaut werden. Länderspezifische Vorgaben und Vorgaben des Gesundheitssystems lassen es unwahrscheinlich erscheinen, dass die stationären Betten und Kapazitäten erhöht werden können. Zusätzlich werden die BwKrhs weitere Aufgaben wie die regionale Patientensteuerung (Patient Evacuation and Coordination Center, Cluster-PECC) übernehmen müssen.
Wissenstransfer in den zivilen Bereich
Immer öfter sind wir auf eine Zusammenarbeit mit den zivilen Versorgungsstrukturen angewiesen. Dieses bedeutet, dass wir mehr denn je auch die Spielregeln des zivilen Gesundheitssektors umsetzen müssen, um fester integraler Bestandteil der gesamten medizinischen Versorgung zu bleiben. Dieses ist deswegen wichtig, um unser Personal trotz des parallelen Wandels im zivilen Gesundheitssystem aus-, fort- und weiterbilden zu können, darüber hinaus natürlich durch den regelmäßigen fordernden Einsatz in einem BwKrhs auch im Training zu halten und um noch viel mehr als bisher unser wehrmedizinisch spezialisiertes Wissen an die zivile Welt weiterzugeben. Es ist im Sinne der Daseinsvorsorge Aufgabe des Staates und damit auch Aufgabe des Sanitätsdienstes, dass diese Kenntnisse „in der Fläche“ verfügbar sind, denn die zivilen Krankenhäuer werden den weit überwiegenden Teil der Patientenversorgung, vor allem der Verwundeten, übernehmen müssen. Es kann daher nur in unserem Interesse – als Anwälte unserer Kameradinnen und Kameraden – sein, dass das militärspezifische Wissen flächendeckend bekannt wird. Weil etablierte Weiterbildungskonzepte der Ärztekammern in der Notfall- und Akutmedizin (z. B. zum prähospitalen Leitenden Notarzt (LNA) oder Weiterbildungsinhalte der chirurgischen Fächer) wichtig sind, jedoch in diesem Zusammenhang nur einen Teilaspekt adressieren können, wurde z. B. zusammen mit Vertretern der Fachgesellschaften (z. B. Deutsche Gesellschaft für Chirurgie) und des Sanitätsdienstes unter Federführung der DGU eine Personenzertifizierung etabliert, die genau dieses Wissen bündelt und vermittelt (NotfallchirurgMANV, MANV = Massenanfall von Verletzten). Diese Personenzertifizierung beinhaltet eine breite Palette an Fähigkeiten, die zur Bewältigung einer MANV- bzw. TerrorMANV-Lage incl. LV/BV erforderlich sind. Ziel ist es, operativ tätige Ärzte auf Facharztniveau für diese Aufgabe zu begeistern und zu befähigen. Diese kann ab Oktober 2024 erworben werden. Wesentlich wird sein, ob es gelingen wird, die öffentliche Hand davon zu überzeugen, im Sinne der Daseinsvorsorge diese Fortbildung mindestens in Teilen mitzufinanzieren.
Überdenken und Anpassen von Versorgungskonzepten
Durch die Ereignisse im Ukrainekrieg sind verschiedene Erkenntnisse evident geworden, welche sanitätsdienstlichen Konzepte zielführend sind und welche nicht funktionieren. Hier müssen sicherlich einige unserer Ideen und Vorstellungen mit den darauf aufbauenden Konzepten überdacht werden. Das betrifft rein medizinische Einzelaspekte, jedoch auch gesamte militärmedizinische Versorgungskonzepte. Diese sind mit den modernen Versorgungen hier im Heimatland abzugleichen. Hier sind bereits jetzt Themenbereiche identifiziert, welche weder durch die BwKrhs noch durch den Sanitätsdienst, respektive die Bundeswehr allein lösbar sein werden. Zu ihnen gehören exemplarisch die frühzeitige Anwendung von Vollblut. Selbige wird in verschiedenen Armeen der NATO-Partner (z. B. USA, Frankreich) erfolgreich ab dem ersten qualifizierten Kontakt umgesetzt. Im deutschen Transfusionsgesetz ist sie jedoch nur rudimentär und mit erheblichen Auflagen geregelt.
Digitalisierung
Auch die Digitalisierung ist unausweichlich mit der auf Länder-Ebene festgelegten Umsetzung zum Datenschutz verquickt. Die digitale Rettungskette ist international absehbar, internationale sanitätsdienstliche Einsatzregister und für viele weitere Forschungsprojekte müssen frühzeitige Quervernetzungen weit außerhalb des eigenen Fachbereiches etabliert werden.
Schaffung und Ausbau einer wissenschaftlichen Basis
Daher ist es umso mehr von Bedeutung, die sich neu ergebenden Fragestellungen auf eine wissenschaftlich fundierte Basis zu stellen (Abbildung 4). Dieses hat inzwischen dazu geführt, dass primär militärische Forschungsverbünde Süd (FvS) und Nord (FvN) gegründet wurden, die aber zwingend in zivil-militärische Forschungsverbünde weiterentwickelt werden müssen.
Abb. 4: Die Abbildung illustriert anhand der Anwendung von Tourniquets zur Stillung lebensbedrohlicher Extremitätenblutungen den typischen Ablauf wehrmedizinischer interdisziplinärer und interprofessioneller Forschung:
1. Erkenntnisse aus der Behandlung im Einsatz sowie im Heimatland zeigen immer wieder Fehlanwendungen von Tourniquet.
2. Fragen zur Indikationsstellung, Anwenderschulung, Anwenderperformance, Ergebnisqualität werden im „bottom up approach“ formuliert.
3. Anhand eines systematischen Literaturreview kann ein Teil der Forschungsfragen zufriedenstellend beantwortet werden.
4. Ob am Markt verfügbare Tourniquets über mehrlagiger militärischer Einsatzkleidung (z. B. Overgarment, Nässeschutz, Kälteschutz etc.) zu einer suffizienten Blutstellung führen, wird anhand eines wehrmedizinischen Forschungsprojektes untersucht.
5. Der Erkenntnisgewinn, dass nur eines der untersuchten Tourniquets zufriedenstellende Ergebnisse liefert, wird auf Kongressen (Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie, wehrmedizinischen Kongressen wie DGWMP, sowie dem NATO Science and Technology Organization Conference) als auch im Peerreview-Verfahren publiziert und diskutiert.
6. Diese und weitere wehrmedizinische Forschungsvorhaben (z. B. Erkenntnisse zum Ischämie-Reperfusionssyndrom) werden in Bezug zur gesamten Rettungskette bewertet. Unabdingbar ist dabei der zielgerichtete Brückenschlag zwischen bestehender Literatur, Labor-, und translationaler Grundlagenforschung der Verbundpartner sowie der wehrmedizinischen Expertise.
7. Bei ausreichender Evidenz (u. a. Ergebnisse mehrerer unabhängiger Studien) fließen die Ergebnisse in nationale und internationale Leitlinien/ Empfehlungen (z. B. Committee on Tactical Combat Casualty Care), bundeswehrinterne Vorgaben und/oder NATO-Handlungsanweisungen (COMEDS), etc. ein. Mittels Aus-, Fort- und Weiterbildung werden sie in der Lehre umgesetzt.
8. Im Zentrum jedweder wehrmedizinischer Forschung steht zum Schluss immer die Verbesserung der Patientenbehandlung.
Jeder der Verbünde hat spezifische Schwerpunkte. So sind der Schwerpunkte des FvS die Traumaversorgung und die Tumorforschung. Der Zusammenhang dieser beiden Bereiche besteht darin, dass die Veränderungen auf zellulärer Ebene, die die Zellen schädigen und z. B. zum Gewebeverlust führen, sehr ähnlich sind und somit Erkenntnisse vom einen im anderen Bereich Verwendung finden und zu zukunftsweisenden Erkenntnissen führen können. Schwerpunkt des FvN sind Infektiologie, Tropenmedizin, Barrier Nursing sowie psychotraumatologische Folgen aus den Einsatz- und Kriegsszenarien.
Diese militärmedizinischen Fragestellungen ergeben sich sowohl aus historischen und aktuellen Einsätzen sowie Kriegsschauplätzen (z. B. Ukraine oder Israel/Gaza-Streifen), dem Grundbetrieb der Bundeswehr sowie den nicht-militärischen Partnern wie Technisches Hilfswerk, Rotes Kreuz, Katastrophenschutz usw. Sie müssen innerhalb der Forschungsverbünde koordiniert bearbeitet werden. Dabei muss die z. T. jahrzehntelange Expertise nicht-militärischer bzw. universitärer Forschungseinrichtungen durch Auftragsforschung weiter Berücksichtigung finden. Ein zusätzlicher Ausbau der internationalen militärmedizinischen Forschungskooperation (z. B. Engineer and Scientist Exchange Programm (ESEP) mit dem US Army Institute of Surgical Research, Fort Sam Huston, Texas, USA) erscheint dringend geboten. Gleiches gilt für das Engagement in NATO (Standardisierungs-)Arbeitsgruppen (z. B. Human Factors and Medicine Panel). Dabei ist selbst eine koordinative Tätigkeit aus der Fachlichkeit der BwKrhs, geschweige denn eine professionelle Forschungsaktivität, ohne personelle und materielle Ressourcen innerhalb der BwKrhs nicht darstellbar.
Zukünftige Rolle der Rehabilitation
Ein wesentlicher Aspekt sei hier noch genannt, nämlich die Rehabilitation. Zu einer vollumfänglichen Versorgung gehört neben der Rettungskette (Lebensrettung), der Role 4-Versorgung (Rekonstruktion) auch die Rehabilitation und Wiedereingliederung des Verwundeten in das dienstliche (berufliche) und soziale Leben. Hier sind selbstverständlich die körperliche wie die psychische Rehabilitation gemeint. Diese kommen in der Regel gleichzeitig vor. Welche Bedeutung dieses hat, wird durch die Anzahl an Amputierten in der Ukraine deutlich. Aktuell befinden sich mehr als 50 000 amputierte Patienten in der Ukraine. Pro Jahr können dort jedoch nur knapp 1 500 von ihnen versorgt werden. Dabei ist es zunächst erforderlich, chirurgisch einen funktionsfähigen Stumpf zu erzeugen, dann ist eine prothetische Versorgung und anschließend die notwendige Rehabilitation nötig. Man muss sich vorstellen, dass man zum Gehen mit einer Oberschenkelprothese die doppelte Kraft benötigt, als wenn man zwei gesunde Beine hat. Das bedeutet, dass man das Gehen überhaupt erst wieder lernen muss. 70 % der in der Ukraine verwundeten Soldaten sind nach 6 Monaten wieder an der Front. Somit stellt ein leistungsstarker Sanitätsdienst eine Reserve für die militärische Führung sicher. Und ein Aspekt darf nicht vergessen werden: Nach einem Krieg kommt eine weitere anspruchsvolle Zeit, der Wiederaufbau – und hier sind alle Kräfte nötig, die zur Verfügung stehen können. Auch deswegen ist es notwendig, die Rehabilitation mit in unseren Fokus zu nehmen. (Abbildung 5).
Abb. 5: Dargestellt ist die Versorgung verwundeter Soldaten mit dem Ziel der vollständigen somatischen wie psychischen Wiedereingliederung bis zur vollen Verwendungsfähigkeit.
“Bottom up” und “translationale” Forschung
Beispielhaft sei die US-Armee genannt, welche aus zeitnah durchgeführten epidemiologischen Forschungen zu den Afghanistan- und Irakeinsätzen Ergebnisse ableitete und diese in die Aus- und Fortbildung sowie Änderung von fachlichen Einsatzgrundsätzen (z. B. Damage Control Resuscitation) und dem taktischen Vorgehen in der Rettungskette umsetzte [1][5]. Dieses führte zu einer nachweisbaren Reduktion der Mortalität und Letalität. Militärmedizinische Forschung und akademische Vernetzung sind kein Selbstzweck: Für die verwundeten oder erkrankten Kameradinnen und Kameraden und damit für die Truppenführer zählt einzig die erfolgreiche Umsetzung der o.g. Erkenntnisse auf dem Gefechtsfeld durch den Sanitätsdienst und seine zivilen Partner. Deshalb ist es Auftrag der BwKrhs, ihre militärmedizinischen Forschungsergebnisse und Erfahrungen aus den Einsätzen auf nationalen und internationalen Fachkongressen, medizinischen wie militärischen, zu präsentieren, zu diskutieren und in ihren jeweiligen Fachgesellschaften (z. B. DGWMP, AMSUS, DGC, DGU, DGAV, DGAI, DGIM etc.) zu vertreten. Um Forschungsergebnisse allen Anwendern möglichst schnell zur Verfügung zu stellen, erscheinen interdisziplinäre und interprofessionelle (ärztlich/nicht-ärztlich) Ansätze unter Einbindung von staatlichen (z. B. Polizei) und nicht-staatlichen Organisationen (z. B. Feuerwehr, Rettungsdienstorganisationen) – wie exemplarisch auf der primär militärischen Combat Medical Care Conference verwirklicht – als erster Schritt geeignet. Weiterhin sind die Entwicklung gemeinsamer Kursformate (s.o., TDSC, Burns24, Schussballistik u.v.m.) ein weiteres Mittel zur Verbreitung der notwendigen Erkenntnisse in die zivile Welt. Die breite Masse wird durch zeitnahe Änderung von Ausbildungskonzepten und „Allgemeinen Regelungen (AR)“, idealerweise auch durch Beiträge zur ärztlichen Weiterbildungsordnung, erfasst.
Bei der Planung der gesamtstaatlichen Gesundheitsfür- und Vorsorge, Prävention, Organisation verschiedener Rettungsketten (zivil/militärisch), Digitalisierung der Patientenversorgung/Patiententracking vom Gefechtsfeld der Zukunft bis zur Rehabilitation und Wiedereingliederung tritt der eigene Fachbereich und die eigene Profession in den Hintergrund. Förderungswürdige, militärmedizinische Forschung ist kein Selbstzweck zur Generierung akademischer Titel. Gemeinsam müssen Erkenntnisse aus den Forschungseinrichtungen bewertet und zeitnah auf Anwenderebene etabliert werden. Gemeinsam müssen neue Standards, neue Kooperationen von SanOffz(Arzt) und SanFw trainiert und verinnerlicht werden, damit im Einsatzfall das System und jeder Einzelne in der Lage ist, die ihm anvertrauten Patienten nach aktuellen Standards und nicht nach den Erkenntnissen der 2000er Jahre individualmedizinisch zu versorgen.
Abschließende Bewertung
Bereits im preußischen Offizier-Corps galt der Grundsatz, dass sich die Wertschätzung der Soldaten durch ihre Truppenführer daran ablesen lässt, welche Anstrengungen Armee und Staat in die sanitätsdienstliche Versorgung und Rehabilitation von der Verwundung oder Erkrankung bis zur Wiedereingliederung investieren.
Die Einsatzbereitschaft und die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr ist maßgeblich von einer funktionierenden Gesundheitsversorgung und damit von einem voll funktionsfähigen Sanitätsdienst abhängig. Die Wehr- und Einsatzmedizin erfordert daher, insbesondere aufgrund ihrer Komplexität, welche in der Versorgungslandschaft in Deutschland nicht abgebildet wird, spezialisierte Ausbildungs- und Versorgungseinrichtungen.
Der Beitrag der Bundeswehrkrankenhäuser besteht in einer Anpassung der eigenen Strukturen auf zivile gesundheitspolitische Veränderungen, um als Aus-, Fort- und Weiterbildungsstätte, als Trainingsstätte, als klinische Versorgungseinrichtung, als Truppensteller wie auch als Forschungsinstitution ihren Auftrag erfüllen zu können. Dies ist unabdingbare Voraussetzung zur Übernahme neuer militärischer Aufträge mit dem Ziel, eine bestmögliche, auch eine individualmedizinische Versorgung der uns anvertrauten Soldatinnen und Soldaten erfolgreich sicher zu stellen. Hierzu müssen die BwKrhs in ihren zivil-militärischen klinischen wie forschenden Verbünden und Kooperationen koordiniert und priorisiert werden, um mit dem uns gegebenem Material- und Personalumfang diesen Auftrag erfüllen zu können.
Literatur
- Byers R: An upshot of war-damage control resuscitation. Int Emerg Nurs 2010; 18(4): 221-225. mehr lesen
- Bundesministerium der Verteidigung: Die Geschichte der Bundeswehr.,(letzter Aufruf 22. Juli 202). mehr lesen
- Bundesministerium der Verteidigung: Inspekteur des Sanitätsdienstes (InspSan) - Fachliche Leitlinie für die sanitätsdienstliche Versorgung von Soldaten der Bundeswehr im Auslandseinsatz vom 27. September 1995.
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie: 5-Punkte-Plan 2.0 der DGU-AG EKTC zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung in besonderen Katastrophen und bei möglichen Terroranschlägen. , letzter Aufruf 22. Juli 2024. mehr lesen
- Edwards S, Smith J: Advances in military resuscitation. Emerg Nurse 2016; 24(6): 25-29. mehr lesen
- Gerngroß H, Kalke Y: Sanitätsdienstliche Unterstützung des UNO - Einsatzes in Kambodscha: Berichte, Erfahrungen, Probleme, Aussichten. Bonn: Beta-Verlag 1993.
Manuskriptdaten
Zitierweise
Friemert B, Kulla M, Schwab R: Patientenversorgung, Ausbildung und Klinische Forschung der Bundeswehrkrankenhäuser im Wechsel der Zeiten! WMM 2024; 68(9): 372-380.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus-343
Für die Verfasser
Oberstarzt Prof. Dr. Benedikt Friemert
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Leiter Zentrales klinisches Management,
Oberer Eselsberg 40, 89081 Ulm
E-Mail: benediktdieterfriemert@bundeswehr.org
Manuscript Data
Citation
Friemert B, Kulla M, Schwab R:
Patient treatment, training, and clinical research in Bundeswehr hospitals in changing times! WMM 2024; 68(9): 372-380.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus-343
For the Authors
Colonel (MC) Prof. Dr. Benedikt Friemert, MD
Bundeswehr Hospital Ulm
Department Clinical Management,
Oberer Eselsberg 40, D-89081 Ulm