Stellungnahme zur möglichen Implementierung des Lungenkrebsscreenings mittels Low-Dose-Computertomografie (CT) im Sanitätsdienst der Bundeswehr
Daniel Gagiannisa, Josefine Baudrexla, Patrick Büchelea, Carsten Hackenbrochb, Michael Grunertc, Armin Riecked, Moritz Witzenhausene, Sebastian Brille, Konrad Steinestelf
a Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Innere Medizin – Pneumologie
b Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Radiologie und Neuroradiologie
c Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Nuklearmedizin
d Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Innere Medizin – Hämatologie und Onkologie
e Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Thoraxchirurgie
f Bundeswehrkrankenhaus Ulm, Institut für Pathologie und Molekularpathologie
Hintergrund
Lungenkrebs ist weltweit nach wie vor die häufigste krebsbedingte Todesursache und geht mit hoher krankheitsbedingter Morbidität einher [6]. Aufgrund der uneinheitlichen und oft spät auftretenden Symptomatik wird die Erkrankung meist erst in fortgeschrittenen Stadien erkannt, obwohl (neben Luftverschmutzung, Strahlenexposition und berufsbedingter Schadstoffexposition) das Zigarettenrauchen als primärer Risikofaktor klar belegt ist [5]. Die jährliche native Niedrigdosis-Computertomografie (LDCT) hat sich als effektive Methode erwiesen, Lungenkrebs früher zu erkennen als herkömmliche Röntgen-Thorax-Aufnahmen. Zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass das LDCT-Screening die lungenkrebsbedingte Mortalität sowie die Gesamtmortalität bei Personen mit hohem Risiko signifikant senkt [2][3]. Diese Arbeiten zeigen auch, dass es durch das Screening zu einem Shift von fortgeschrittenen zu frühen und damit eher (kurativ) behandelbaren Erkrankungsstadien kommt.
Am 17. Mai 2024 wurde durch das Bundesumweltministerium die „Verordnung über die Zulässigkeit der Anwendung der Niedrigdosis-Computertomografie zur Früherkennung von Lungenkrebs bei rauchenden Personen“ (Lungenkrebs-Früherkennungs – LuKrFrühErkV) veröffentlicht (BGBl. 2024, Nr. 162). Während seit dem 1. Juli 2024 aktive und ehemalige Raucherinnen und Raucher einen grundsätzlichen Anspruch auf eine Untersuchung zur Lungenkrebsfrüherkennung haben, werden die Regelungen zur Durchführung und Kostenübernahme der Untersuchungen aktuell durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beraten. Diese Beratungen sollen zum 1. Juli 2026 abgeschlossen sein.
Möglicher Nutzen des LDCT-Lungenkrebs-Screenings für Soldaten1
In Deutschland hat das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) 2020 festgestellt, dass der Nutzen eines LDCT-Lungenkrebs-Screenings für aktive bzw. ehemalige starke Raucher den potenziellen Schaden überwiegt [1]. Diese Einschätzung wurde 2021 vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) bestätigt. Eine kürzlich durchgeführte Erhebung zum Rauchen in der Bundeswehr ergab eine Quote von knapp einem Drittel Rauchenden (32,5%), wobei höhere Quoten mit einem Status als Einsatzkräfte (bis 45%) und niedrigerem Schulabschluss korrelierten [4]. Eine ältere Arbeit von Trautmann et al. wies auf eine noch höhere Raucherquote unter Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz hin [7]. In der Altersgruppe der über 50-Jährigen waren in der Erhebung von Sammito et al. knapp ein Viertel Raucherinnen (23,5%) bzw. Raucher (23,4%) [4].
Abb 1: Zwei Fälle mit verdächtigen Rundherden in der CT-Schnittbildgebung (gelber Pfeil, Bildquelle: BwKrhs Ulm)
Die nach wie vor hohe Raucherquote innerhalb der Bundeswehr hat nicht nur unmittelbare negative Auswirkungen auf die Einsatzfähigkeit, sondern mit Blick auf das Lungenkrebsrisiko auch langfristig schädliche Effekte auf die Gesundheit der Soldaten. Angesichts des nachgewiesenen Nutzens des LDCT-Lungenkrebs-Screenings insbesondere für Risikopersonen und der hohen Prävalenz des Rauchens in der Bundeswehr wäre die Implementierung eines solchen Screening-Programms innerhalb der Streitkräfte besonders sinnvoll. Es ist zu erwarten, dass ein LDCT-Screening in der Bundeswehr einen noch deutlicheren Nutzen zeigen wird, sofern die Zielpopulation (Frauen und Männer im Alter von 50 bis 75 Jahren, mit einer Rauchdauer von mindestens 25 Jahren und einer kumulativen Exposition von mindestens 15 Packungsjahren) die Einschlusskriterien erfüllt.
Abb. 2: Mikroskopische Aufnahme eines Lungenkarzinoms (HE-Färbung, 200-fache Vergrößerung, Bildquelle: BwKrhs Ulm)
Schlussfolgerung
Die Autoren befürworten die Implementierung des LDCT-Lungenkrebs-Screenings für Rauchende innerhalb der Bundeswehr. Berufssoldaten, die aktive oder ehemalige Rauchende sind, können ab dem 50. Lebensjahr bzw. zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem aktiven Dienst zur Teilnahme am Screening eingeladen werden. Die personelle und materielle Ausstattung für ein Screening der Soldaten ist am Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm vorhanden. Eine Abklärung suspekter Rundherde einschließlich hochmoderner Bildgebung und (sofern erforderlich) histologischer Sicherung könnte z. B. in der spezialisierten Lungenmedizin am BwKrhs Ulm oder alternativ an einem heimatnahen zertifizierten Lungenkrebszentrum erfolgen. Ein solcher Schritt könnte erheblich zur Reduktion der lungenkrebsbedingten Mortalität aktiver und ehemaliger Soldaten beitragen.
Literatur
Für die Verfasser
Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. Daniel Gagiannis
Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Klinik für Innere Medizin – Pneumologie
E-Mail: danielgagiannis@bundeswehr.org
1 Genderhinweis: Zur besseren Lesbarkeit wird – wenn nicht explizit differenziert werden muss – die maskuline Form (Soldat, Patient) verwendet. Gemeint sind immer alle Geschlechter
Redaktion: Generalarzt a. D. Prof. Dr. med. Horst Peter Becker, MBA, Scharnhorststr. 4b, D-10115 Berlin, Mobil +49 171 215 0901, E-Mail: hpbecker@beta-publishing.com
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