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Der militärische Such- und Rettungsdienst (SAR) der Bundeswehr

André Louisa

a Kommando Hubschrauber, SAR Leitstelle Land, Münster

Zusammenfassung

Der militärische Such- und Rettungsdienst (SAR) der Bundeswehr spielt eine entscheidende Rolle bei der Durchführung von Rettungsaktionen im deutschen Luftraum und in angrenzenden Seegebieten. Die damit verbundene Fähigkeit zur Rettung auch aus schwierigen Lagen ist sowohl wehrmedizinisch als auch in Bezug auf zivile Hilfeleistung relevant. Der vorliegende Beitrag gibt eine Übersicht über Grundsätze, Struktur und Einsatzmittel des SAR-Dienstes und wertet beispielhaft die Einsätze des Jahres 2023 aus.

Im Rahmen einer Analyse von Fachliteratur, offiziellen Berichten und Leitlinien wurden Struktur, Aufgaben und Herausforderungen des SAR-Dienstes ausgewertet Dabei wurden sowohl qualitative als auch quantitative Daten berücksichtigt, um ein möglichst vollständiges Bild der aktuellen Situation und der Entwicklungen im SAR-Dienst zu erhalten.

Die SAR-Leitstellen in Münster und Glücksburg koordinieren Einsätze mit modernen Technologien und geschultem Personal. Die Einführung neuer Hubschrauber wie des LUH SAR (H145) und des NH90 SEA LION verbessert die Einsatzfähigkeit, erfordert jedoch zusätzliche Ausbildung und Sicherheitsmaßnahmen. Im Jahr 2023 wurden 1 939 Alarmmeldungen registriert, was einen leichten Anstieg im Vergleich zum Vorjahr mit 1 766 Alarmmeldungen im Jahr 2022 bedeutet.

Der SAR-Dienst der Bundeswehr ist ein unverzichtbarer Bestandteil des nationalen Rettungssystems, der sowohl militärische als auch zivile Notfälle effektiv bewältigt. Die kontinuierliche Verbesserung der Technologien und der Ausbildung der Einsatzkräfte ist entscheidend, um den Herausforderungen der modernen Einsätze gerecht zu werden und die medizinische Versorgung von Verletzten und Erkrankten – vor allem im Zusammenhang mit Luftfahrtunfällen – sicherzustellen.

Schlüsselwörter: Such- und Rettungsdienst (SAR), Bundeswehr, Hubschrauber, Notfallreaktion, Koordination, Repatriierung, Technologie

Einleitung

Im Rahmen der Bundeswehrreform 2013 erfolgte eine Anpassung der Hubschrauberressourcen innerhalb der Bundeswehr. Das Heer übernahm bestimmte Hubschrauberfähigkeiten, während die Luftwaffe ihre Kapazitäten in diesem Bereich reduzierte. Diese Veränderungen waren Teil einer umfassenderen Neuausrichtung der Bundeswehr, die auch die Umstrukturierung von Führungsorganisationen und die Anpassung technischer sowie logistischer Verbände umfasste. Teil dieser Umstrukturierung war der Verantwortungs- und Fähigkeitstransfer im Such- und Rettungsdienst (engl. Search and Rescue, SAR) von der Luftwaffe zum Heer. Durch diese Anpassungen wurden Effizienz und Effektivität des SAR-Dienstes optimiert, wobei sich nun Heer und Marine die Hauptverantwortung für diese Aufgaben teilen.

Der militärische SAR-Dienst der Bundeswehr ist ein Einsatzunterstützungselement im Rahmen der Auftragserfüllung der Streitkräfte. Zugleich ist dieser Dienst ein integraler Teil des nationalen SAR-Dienstes im Kontext von Luft- und Seefahrt. Der SAR-Dienst ist weder Teil des Sanitätsdienstes der Bundeswehr noch der zivilen Luftrettung.

Mit den beiden Such- und Rettungsdienst (SAR)-Leitstellen in Münster (unterstellt dem Kommando Hubschrauber des Heeres) und Glücksburg (unterstellt dem Marinekommando) übernimmt der SAR-Dienst mit seinen vier SAR-Kommandos und den hier stationierten Hubschraubern (Nörvenich, Holzdorf, Niederstetten und Nordholz) eine zentrale Rolle bei der Koordination und Durchführung von Such- und Rettungsaktionen über dem deutschen Hoheitsgebiet sowie in den zugeordneten Seegebieten. Er ist insbesondere im Zusammenwirken mit der Flugsicherung ein bedeutender Akteur im Zusammenspiel nationaler und internationaler Such- und Rettungsstrukturen.

Dieser Beitrag beleuchtet Aufgaben, Technologien, Einsatzstatistik und Herausforderungen der SAR-Leitstellen der Bundeswehr. Zudem werden die Entwicklungen und Veränderungen im Zuge der sicherheitspolitischen Zeitenwende und der Einführung moderner Hubschrauber und anderer luftgestützter Systeme betrachtet.

Auftrag und Aufgaben des SAR-Dienstes

Auftrag

Der militärische SAR-Dienst der Bundeswehr verfolgt das Ziel, schnell Hilfe zu leisten und Leben zu retten. Der Auftrag umfasst im Kern:

  • Suche nach überfälligen und abgestürzten Luftfahrzeugen,
  • Rettung der Insassen aus Gefahrenlagen und
  • Unterstützung der maritimen Suche und Rettung.

Dabei arbeiten die SAR-Leitstellen eng mit zivilen und internationalen Partnern zusammen, um eine effiziente Notfallhilfe zu gewährleisten.

SAR-Leitstellen

Die Aufgaben der SAR-Leitstellen (international als Rescue Coordination Center, RCC, bezeichnet) sind ebenso vielfältig wie anspruchsvoll. Sie umfassen:

1. Koordination von Einsätzen

Die SAR-Leitstellen sind für die zentrale Organisation aller Such- und Rettungseinsätze ihres Verantwortungsbereiches zuständig. Dies umfasst die Identifikation geeigneter Rettungsmittel, die Alarmierung von Einsatzkräften und die kontinuierliche Überwachung der Missionen.

2. Einsatz moderner Technologien

Zu den genutzten Technologien gehören Echtzeitluftlagebilder, mit denen vermisste oder überfällige Luftfahrzeuge schnell lokalisiert werden können, sowie die Nutzung eines satellitengestützten Erfassungs- und Meldesystems von Notfunksendern.

3. Zusammenarbeit mit Partnern

Eine enge Kooperation mit anderen Rettungsorganisationen, sowohl zivil als auch militärisch, als auch mit den vergleichbaren Organisationen aller europäischen Nachbarländer gewährleistet einen effizienten Ansatz zur Einsatzdurchführung.

4. Schulung und Training der Einsatzkräfte

Regelmäßige Schulungen und Übungen stellen sicher, dass die Einsatzkräfte optimal vorbereitet sind. Diese Maßnahmen umfassen sowohl theoretische Unterrichtseinheiten als auch praktische Trainings, die auf die spezifischen Anforderungen des SAR-Dienstes abgestimmt sind.

5.Rettung bei Seenotfällen

Ein wichtiger Aufgabenbereich der SAR-Leitstellen ist die Unterstützung bei Seenotfällen vor der deutschen Nord- und Ostseeküste. Hierbei arbeiten die SAR-Leitstellen eng mit zivilen Rettungsorganisationen wie der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) zusammen. Die Kombination aus technischer Expertise, schneller Reaktionsfähigkeit und enger Zusammenarbeit mit zivilen Kräften ermöglicht es, Menschenleben selbst unter schwierigsten Bedingungen zu retten.

6. Unterstützungbei Naturkatastrophen

Die SAR-Leitstellen spielten auch bei den Naturkata­strophen der jüngeren Vergangenheit eine wichtige Rolle bei der schnellen Reaktion auf umfassende Krisen­szenarien in Deutschland. Sie sind aufgrund der ständigen Bereitschaft im 24/7/365-Modus jederzeit in der Lage, nach einer Alarmierung durch zivile Rettungsleitstellen Hubschrauber und Rettungsteams deutschlandweit sofort zu Katastrophen zu entsenden, wenn Menschenleben in Gefahr sind. Dies gilt nicht nur für Luft- und Seenotfälle, sondern auch für Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben oder Stürme. Die schnelle Mobilisierung der SAR-Hubschrauber als „Kräfte der ersten Stunden“ ist von zentraler Bedeutung, um in Krisensituationen dringend benötigte Hilfe zu leisten. Der militärische SAR-Dienst kann somit einen wesentlichen Anteil für den Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung beitragen.

SAR-Kommandos

An vier Standorten der Bundeswehr (Nörvenich, Holzdorf, Niederstetten und Nordholz) stehen rund um die Uhr SAR-Hubschrauber in Bereitschaft. Diese Hubschrauber sind in Bezug auf ihre medizinische Aus­stattung vergleichbar mit der eines bodengebundenen Rettungswagens (RTW) ausgerüstet, um eine optimale Versorgung möglicher Patientinnen und Patienten ­während des Transports sicherzustellen. Die hier stationierten und im Einsatz befindlichen SAR-Hubschrauber ­besitzen tagsüber (von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang) eine maximale Reaktionszeit von 15 Minuten, die sich nachts (nach Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang) auf maximal 60 Minuten verlängert. Die kurze Reaktionszeit ist entscheidend für den Erfolg von Rettungseinsätzen, da sie oft über Leben und Tod entscheidet.

Die Besatzung der SAR-Hubschrauber spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung einer schnellen und effektiven Notfallversorgung. Um den hohen Anforderungen in der Luftrettung gerecht zu werden, wird die Besatzung regelmäßig und umfassend geschult. Diese Schulungen sind darauf ausgelegt, sowohl die medizinischen als auch die technischen Fähigkeiten der Besatzungsmitglieder zu optimieren und sie auf die Herausforderungen in realen Einsatzszenarien vorzubereiten.

Um die erlernten Fähigkeiten in einem realistischen Kontext zu testen, werden regelmäßig Übungen durchgeführt, die den tatsächlichen Einsatzbedingungen nachempfunden sind. Diese Übungen können simulierte Notfälle, Rettungseinsätze in schwierigem Gelände oder unter extremen Wetterbedingungen umfassen. Durch diese praxisnahen Trainings können die Besatzungsmitglieder ihre Teamarbeit, Kommunikation und Entscheidungsfindung unter Druck verbessern. Zusätzlich werden auch interdisziplinäre Übungen mit anderen Rettungsdiensten und Notfallorganisationen durchgeführt, um die Zusammenarbeit und Koordination im Einsatzfall zu optimieren.

Insgesamt sorgt das umfassende Training der Besatzung dafür, dass sie bestens vorbereitet ist, um in Notfällen schnell und effektiv zu handeln, was letztlich die Überlebenschancen der zu rettenden Personen erhöht.

Luftfahrzeuge, Personal, Technik und Verfahren im SAR-Dienst

LUH SAR (H145)

Im Zeitraum von 2019 bis 2021 führte das Deutsche Heer den „Light Utility Helicopter Search and Rescue“ (LUH SAR), basierend auf dem zivilen und weit verbreiteten Hubschraubermuster Airbus H145 ein, um damit bundesweit drei SAR-Kommandostandorte zu bestücken (Abbildung 1). Dieser leichte Mehrzweckhubschrauber ersetzte die betagte Bell UH-1D in der SAR-Rolle und wurde trotz seiner Ähnlichkeit mit Hubschraubern der zivilen Luftrettung zusätzlich mit einer spezifischen Missionsausstattung für SAR-Einsätze konzipiert und ausgestattet.

Abb. 1: Ein SAR-Hubschrauber vom Typ H145M LUH SAR (Bildquelle: Bundeswehr/Andre Louis)

Der LUH SAR ist mit moderner Ausstattung versehen, die ihn für vielseitige SAR-Aufgaben prädestiniert:

Avionik und Sensorik: Ähnlich wie der NH90 SEA LION der Marine ist auch der LUH SAR mit modernster Avionik inklusive diverser Assistenz- und leistungsfähiger Sensorsysteme ausgestattet, die eine präzise Ortung von Vermissten in schwierigen Umgebungen bei Tag und Nacht ermöglichen.

Einsatzflexibilität: Durch seine kompakte Bauweise und hohe Manövrierfähigkeit ist der LUH SAR besonders geeignet für Einsätze an kleinen und unvorbereiteten Landeplätzen, wo größere Hubschrauber an ihre Grenzen stoßen könnten. Mit der ständig installierten Rettungswinde sind Rettungseinsätze auch ohne Landung bei Tag und Nacht gewährleistet.

Medizinische Versorgung: Der H145 ist für die medizinische Erstversorgung ausgestattet und verfügt über ­moderne medizinische Geräte, die mit einem Rettungswagen vergleichbar sind (siehe Abbildung 3). Der als ständiges Besatzungsmitglied eingesetzte Luftrettungsmeister bzw. die ­Luftrettungsmeisterin stellt mit der Qualifikation Notfallsanitäter die medizinische Expertise zur Verfügung.

Abb. 3: Die medizinische Ausstattung (hier beim LUH SAR, Trage in Flugrichtung links eingebaut) entspricht modernen ­rettungsmedizinischen ­Standards. Auf dem Bild im Vordergrund rechts (gelber Pfeil) ist ein Sicherungskarabiner für Lasten zu sehen.(Bildquelle: Bundeswehr/Stabsfeldwebel Peinzger)

Zukunftsorientierte Ausrichtung:Mit der Einführung des LUH SAR verfolgt die Bundeswehr das Ziel, ihren Such- und Rettungsauftrag zukunftsorientiert und effizient zu erfüllen. Der leichte Unterstützungshelikopter ergänzt die größeren Muster wie den NH90 SEA LION der Marine und erweitert die Einsatzpalette der SAR-Kräfte erheblich. Zusammen bieten diese beiden modernen Hubschraubermodelle eine optimale Kombination aus Flexibilität und Leistungsfähigkeit, die sowohl die nationale als auch internationale Rettungsinfrastruktur nachhaltig stärken wird.

NH90 SEA LION

Ein bedeutender Meilenstein für die SAR-Einheiten ist die Einführung des NH90 SEA LION, der den SEA KING MK41 seit dem 30. August 2024 vollständig ersetzt hat. Die Übergabe des letzten von insgesamt 18 neuen Hubschraubern erfolgte bereits am 26. Januar 2023, und seit dem letzten Flug des SEA KING fliegen die SAR-Einheiten ausschließlich mit den neuen Waffensystemen (Abbildung 2).

Abb 2: Ein SAR-Hubschrauber vom Typ Sea King am Boden und ein SAR-Hubschrauber vom Typ NH90 Sea Lion (Bildquelle: Bundeswehr/Lars Kautz)

Während der SEA LION zunehmend in den operativen Dienst integriert wurde, war der SEA KING MK41 bis zu seinem letzten Flug im Einsatz. Diese Übergangsphase gewährleistete, dass die SAR-Einheiten ihre hohe Einsatzbereitschaft während der Umstellung aufrechterhalten konnten. Die vollständige Einsatzfähigkeit und ­umfassende Nutzung aller Fähigkeiten dieses hochkomplexen neuen Systems wird jedoch erst nach Abschluss der umfangreichen Einführungs- und Trainingsphase erwartet.

Herausforderungen bei der Integration neuer Technologien

Die Einführung neuer Technologien wie des NH90 SEA LION bringt auch komplexe Herausforderungen mit sich:

Ausbildungsbedarf: Die Besatzungen müssen intensiv geschult werden, um die neuen Systeme effektiv zu nutzen, insbesondere die erweiterten Sensor- und Kommunikationssysteme.

Wartung und Logistik: Neue Technologien erfordern angepasste Wartungs- und Versorgungskonzepte. Die Verfügbarkeit von Ersatzteilen sowie die technische Infrastruktur müssen rechtzeitig angepasst werden, um eine ununterbrochene Einsatzgestellung zu gewährleisten.

Sicherheitsaspekte: Mit der Einführung neuer Technologien steigen auch die Anforderungen an die Cybersicherheit. Die Systeme müssen vor potenziellen Bedrohungen geschützt werden, was zusätzliche Ressourcen und Fachwissen erfordert. Sicherheitslücken können nicht nur den Betrieb, sondern auch den Schutz sensibler Daten gefährden.

Notfunksender: Das COSPAS-SARSAT-System

Die SAR-Leitstelle Münster fungiert als SAR Point of Contact (SPOC) für Deutschland. Sie empfängt Not­sendermeldungen über das internationale COSPAS-SARSAT-Satellitensystem, das speziell für die weltweite Ortung von Notfällen entwickelt wurde. Dieses System erlaubt die Lokalisierung von Notfunksendern, die sowohl im deutschen Luftraum als auch weltweit von deutschen Luftfahrzeugen und Schiffen genutzt werden.

Notfunksender sind oft der erste Kontaktpunkt für in Not geratene Luftfahrzeuge. Ihre Signale ermöglichen eine schnelle Alarmierung der SAR-Leitstelle, die wiederum die notwendigen Rettungsmaßnahmen einleitet. Im Falle von Alarmierungen eines deutschen Notfunksenders im Ausland unterstützt die SAR-Leitstelle Münster internationale SPOCs und steht in engem Austausch mit den zuständigen Behörden und Organisationen, um eine schnelle Hilfe zu koordinieren.

Generelle Anforderungen an das SAR-Personal

Die Arbeit in der SAR-Leitstelle und in den SAR-Kommandos erfordert ein erhebliches Maß an technischer Expertise und Stressresistenz. Das Personal muss Notfallsituationen schnell bewerten und geeignete Maßnahmen einleiten können. Dies setzt nicht nur technisches Wissen, sondern auch praktische Erfahrung und psychologische Belastbarkeit voraus.

Zusammenarbeit mit dem PECC: Repatriierung von Soldaten

Die Leitung der Repatriierung verletzter deutscher Soldaten und Soldatinnen obliegt dem Patient Evacuation Coordination Centre (PECC), das bei Bedarf in enger Zusammenarbeit mit den SAR-Leitstellen agiert. Während die Verantwortung für die Repatriierung beim PECC liegt, kann jederzeit auf die Fähigkeiten des SAR-Dienstes zugegriffen werden. Hierbei kann der SAR-Dienst für einen luftgestützten Transport aus einem der Nachbarländer oder für den Weitertransport nach Landung mittels entsprechender Aeromedical Evacuation-Flächenflugzeuge der Luftwaffe zur weiteren medizinischen Versorgung in das weiterbehandelnde Bundeswehrkrankenhaus oder die zivile Klinik angefordert werden. Diese Kooperation sichert eine schnelle und sichere Rückführung von Soldaten, die im Auslandseinsatz erkrankt sind oder verwundet wurden, zur weiteren medizinischen Versorgung in Deutschland.

Einsatzbeispiele

Einsatz am 11. August 2023

Ein schwer verletzter deutscher Soldat sollte aus der Slowakei in das Bundeswehrkrankenhaus Berlin transportiert werden.

  • Um 09:00 Uhr stellte das PECC die Anfrage an die SAR-Leitstelle Münster.
  • Nach Einholung diplomatischer Freigaben wurde der SAR-Hubschrauber SAR 87 alarmiert.
  • Der Transport erfolgte unter militärärztlicher fachlicher Begleitung ohne Komplikationen und wurde erfolgreich gegen 23:00 Uhr abgeschlossen.

Einsatz am 31. August 2023

Ein weiterer Einsatz betraf die Repatriierung eines Soldaten aus dem Einsatzland.

  • Die Übergabe fand am Flugplatz Wunstorf statt, wo der Soldat vom A400M übernommen wurde.
  • Anschließend transportierte ein LUH SAR unter militärärztlicher fachlicher Begleitung den Patienten in das Bundeswehrkrankenhaus Hamburg.

Einsatzzahlen und Statistik 2023

Einsätze und Alarmierungen

Im Jahr 2023 erhielten die SAR-Leitstellen insgesamt 1 939 Alarmmeldungen. Diese Alarmierungen umfassten eine Vielzahl von Einsätzen, die sowohl die Luft- als auch die Seenotrettung betrafen. Die detaillierte Aufschlüsselung der Alarmierungen zeigt die unterschiedlichen Einsatzkategorien:

  • Luftnoteinsätze: 32 Einsätze, die in der Luftrettung stattfanden und oft schnelle Reaktionen auf Notfälle in schwer zugänglichen Gebieten erforderten.
  • Seenoteinsätze: 28 Einsätze, die sich auf Notfälle auf dem Wasser konzentrierten, bei denen schnelle Hilfe für in Seenot geratene Personen notwendig war.
  • Einsatzunterstützungen: 28 Einsätze, bei denen die SAR-Einheiten eigene und verbündete Streitkräfte unterstützten, um die Effizienz und Sicherheit der Einsätze zu erhöhen.
  • Dringende Eilhilfe zur Unterstützung der zivilen Rettung: 171 Einsätze, die aufgrund der Dringlichkeit und der potenziellen Gefahr für Menschenleben schnellstmöglich durchgeführt werden mussten.
  • SAR-Übungen (SAREX): 44 Übungen, die der Vorbereitung und Schulung der Einsatzkräfte dienten, um die Einsatzbereitschaft und Reaktionsfähigkeit zu optimieren.
  • Sonstiges: 58 Einsätze, welche nicht in die oben aufgeführten Kategorien passen, und Einsätze, bei denen im Anflug eine Einsatzabbruchsorder erfolgte (z. B. SAR nicht mehr benötigt wurde).

Insgesamt wurden 361 Einsätze geflogen, was im Vergleich zu den 416 Einsätzen im Jahr 2022 einen Rückgang bedeutet. Dieser Rückgang ist im Rahmen der üblichen Schwankungsbreite zu betrachten, zeitgleich kam es aber in den vergangenen Jahren zu einer verbesserten Prävention von Notfällen und verbesserten Einsatzfähigkeiten der zivilen Luftrettung.

Flugstunden

Die Gesamtzahl der Flugstunden, die vom militärischen SAR-Dienst geleistet wurden, ist ein weiterer wichtiger Indikator für die Einsatzaktivität der SAR-Kommandos:

  • SAR-Leitstelle Glücksburg: 273 Flugstunden, die für Einsätze und Übungen im maritimen Umfeld erbracht wurden.
  • SAR-Leitstelle Münster: 354 Flugstunden, die u. a. auch die aktive Beteiligung im Rahmen der Luftrettung widerspiegeln.
  • Gesamt: 627 Flugstunden, die die Leistungsfähigkeit der SAR-Einheiten verdeutlichen.

Die Einsatzzahlen in Relation zu den Flugstunden belegen nicht nur die Effizienz und Professionalität der SAR-Einheiten, sondern auch deren engagierten Einsatz für die Sicherheit von Menschen in Notlagen. Kontinuierliche Schulung und Durchführung von Übungen sind ­entscheidend, um die hohe Einsatzbereitschaft aufrechtzuerhalten und die Reaktionszeiten in Notfällen zu minimieren.

Sicherheitspolitische Zeitenwende und steigende Anforderungen

Die sicherheitspolitische Zeitenwende, wie sie von der Bundesregierung im Zuge aktueller Entwicklungen beschrieben wurde, hat weitreichende Auswirkungen auf den SAR-Dienst. Diese Veränderungen sind nicht nur auf die militärischen Einsätze der Bundeswehr beschränkt, sondern betreffen auch die zivilen Rettungs- und Hilfsorganisationen, die künftig planerisch ebenfalls in einem zunehmend komplexen und dynamischen Umfeld agieren können müssen. Eine „Kriegstauglichkeit“ des militärischen SAR-Dienstes muss sich dabei auch an der Fähigkeit zur Vernetzung mit militärischen und zivilen Führungsorganisationen in Krise und denkbaren Kriegsszenarien messen lassen.

Steigende Einsatzanforderungen

Mit der intensiveren Nutzung des Luftraums steigen die Anforderungen an die SAR-Leitstellen und ihre Ressourcen. Veränderungen im Klima führen zu einer Zunahme komplexer Einsätze. SAR-Missionen in schwierigen Umweltbedingungen – etwa bei Naturkatastrophen – erfordern angepasste Strategien, Technologien und eine noch stabilere internationale Zusammenarbeit.

Erhöhte Reaktionsfähigkeit

Eine zentrale Herausforderung für Rettungsdienste besteht darin, die Reaktionszeiten bei in der Gesamtbetrachtung steigenden Einsatzzahlen zu minimieren. Technologische Innovationen spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Die Nutzung des zivilen und global organisierten COSPAS-SARSAT-Systems, das eine weltweite Satellitenüberwachung für Notfälle ermöglicht, sowie eine entsprechende Fähigkeitsentwicklung auf europäischer Ebene (GALILEO) sind Beispiele für solche Fortentwicklungen. Diese Technologien ermöglichen eine schnellere Lokalisierung von Notfällen und eine effizientere Koordination der Rettungsmaßnahmen und weiten sich hochdynamisch auf weitere Applikationen bis in den Freizeitsport hinein aus. Dazu ist die Integration von modernen Kommunikations- und Informationssystemen sowohl in zivilen Leitstellen als auch den SAR-Leitstellen unerlässlich, um eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Einsatzkräften und Organisationen zu gewährleisten.

Zukunftsperspektiven

Die Weiterentwicklung der SAR-Kapazitäten ist essenziell, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Dabei spielen sowohl technologische Innovationen als auch organisatorische Anpassungen über den militärischen Bereich hinaus eine entscheidende Rolle.

Modernisierung

Der NH90 SEA LION und der LUH SAR sind ein wesentlicher Schritt in der Modernisierung der nationalen Such- und Rettungsmittel. Langfristig sind jedoch im nationalen Rahmen weitere Investitionen in Satelliten- und mindestens komplementäre Drohnentechnologien vorzunehmen, um die Lokalisierung und Rettung in Not geratener Personen noch effektiver zu gestalten. Auch in diesem Sektor bieten unbemannte und ggf. autonome Systeme für zivile und militärische Anwendungen diverse Anknüpfungspunkte, um das in der Regel sehr teure und aufwendige Einsatzmittel Hubschrauber ergänzen und perspektivisch ersetzen zu können. Beispielhaft sei hier der Multicopter „Grille“ genannt, der derzeit als robotisches, autonomes System für militärisch-medizinische Anwendungen untersucht wird.

Stärkung der internationalen Kooperation

Die enge Zusammenarbeit mit internationalen Partnern wird auch in Zukunft eine tragende Säule der SAR-Strategie sein. Gemeinsame regelmäßige Übungen und der Austausch von Know-how sollen dazu beitragen, die Effizienz grenzüberschreitender Einsätze zu erhöhen.

Fazit

Der SAR-Dienst der Bundeswehr befindet sich in einer Phase des technologischen Wandels und der Weiterentwicklung in eine Organisation und Struktur, die auch unter den veränderten sicherheitspolitischen Rahmenbedingungen die Auftragserfüllung im Zusammenwirken mit zivilen Partnern sicherstellt.

Die Kombination aus Nutzung technologischer Fortschritte, internationaler Zusammenarbeit und einer klaren operationellen Ausrichtung wird entscheidend sein, um den SAR-Dienst auch in Zukunft als unverzichtbaren Bestandteil der deutschen nationalen und internationalen SAR-Strukturen wirken zu lassen.

Dabei gilt es besonders, im Hinblick auf komplexe Rettungs-, Notfall- und Katastrophenszenarien die Interoperabilität der jeweiligen Führungsorganisationen und der Rettungseinheiten zu verbessern.

Manuskriptdaten

Zitierweise

Louis A: Der militärische Such- und Rettungsdienst (SAR) der Bundeswehr. WMM 2025; 69(5): 231-236.

DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-472

Verfasser

Oberstleutnant André Louis

Kommando Hubschrauber – Gruppe Grundsatz

Dezernat SAR Leitstelle-Land

Manfred-von-Richthofenstraße 8–20, 48145 Münster

E-Mail: andrelouis@bundeswehr.org

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