EINSATZCHIRURGIE
Unfallchirurgische Anwendungsbeobachtung des Fixateursystems DiFix®(Originalarbeit)
Application testing of the fixator system DiFix® in trauma surgery
Anja Brücknera, Jörg Klewera, Anne Wolf-Kippingb, Andreas Martinb, Bernhard Karichb, Stefan Reskec
a Westsächsische Hochschule Zwickau
b Heinrich-Braun-Klinikum Zwickau, Klinik für Unfallchirurgie und Physikalische Medizin
c Heinrich-Braun-Klinikum Zwickau, Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie und Neuroradiologie
Zusammenfassung
Hintergrund: Bei Großschadensereignissen sowie im militärischen Einsatz ist die Notfallversorgung von Extremitätenfrakturen mittels Fixateur externe die Methode der Wahl. Existierende Fixateursysteme sind jedoch komplex und erfordern unfallchirurgische Kompetenz. Der DiFix® ist ein zugelassenes Medizinprodukt und wurde als anwendungsfreundlicher Fixateur externe entwickelt. Diese Arbeit berichtet über die ersten Erfahrungen der Handhabung im Rahmen einer Anwenderbeobachtung in unfallchirurgischen Szenarien unter besonderer Berücksichtigung eines eventuellen Einsatzes im wehrmedizinischen Setting.
Methoden: In einem einjährigen Zeitraum wurden 35 unfallchirurgische Patienten mit dem DiFix® behandelt. Mittels standardisierter Evaluationsfragebögen wurden die Erfahrungen in der Anwendung des Systems sowie Komplikationen während und nach der Montage erfasst.
Ergebnisse: Die Anwendung des DiFix® in der klinischen Praxis ergab eine hohe Zufriedenheit der Operateure. In allen behandelten Fällen konnte die Transportfähigkeit gesichert werden. Zudem wurde durchgängig von einer einfachen Handhabung, auch durch nicht unfallchirurgisch qualifizierte Mediziner (Assistenzärzte in Ausbildung), berichtet. Unter gesonderten Bedingungen, beispielsweise im Schockraum, war eine Montage des Systems möglich.
Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass das DiFix®-System gegenüber etablierten Fixateur externe-Systemen Vorteile hinsichtlich der vereinfachten Montage aufweist. Die problemlose Anwendung des Systems durch nicht unfallchirurgisch qualifizierte Mediziner gibt Hinweise darauf, dass der Einsatz des DiFix® sowohl in Terror- und Katastrophensituationen als auch in wehrmedizinischen Szenarien möglich ist. Für eine genauere Bewertung sind zukünftig jedoch Erprobungen in außerklinischen Notfallszenarien notwendig.
Schlüsselwörter: DiFix®, Fixateur externe, Notfallversorgung, Fraktur, Transportfähigkeit
Summary
Background: In large-scale incidents, and in deployment, emergency care of extremity fractures by using an external fixator is the method of choice in many cases. Existing fixators are complex and require competence in trauma surgery. The DiFix® is a licensed medical product and has been developed as a user-friendly external fixator. This paper reports on the first experiences of the handling in the context of an application observation in different trauma-surgical scenarios.
Methods: In a one-year period 35 trauma patients were treated with the DiFix®. By using standardized evaluation forms the experience of using the system and complications during and after the procedure have been documented.
Results: The use of the DiFix® in clinical practice resulted in a high level of satisfaction among the surgeons. In all cases, transportability was secured, and easy handling, even by physicians not qualified in trauma surgery (residents in training), was reported. Under separate conditions, for example in the shock room, assembly of the system was possible.
Conclusions: The results show that the DiFix® system presents with advantages compared to existing external fixator systems in terms of simplified assembly. The easy use of the system by physicians not qualified in trauma surgery provides evidence that the use of the DiFix® is possible in terror and disaster situations as well as in military medical scenarios. Future testing in non-clinical emergency scenarios is necessary for a more accurate evaluation.
Keywords: DiFix®, external fixator, emergency care, fracture, transportability
Hintergrund
Vor allem im Zusammenhang mit Großschadens- und Terrorereignissen spielt eine schnellstmögliche Erstversorgung von Verletzten für die Behandlungschancen eine wesentliche Rolle [9]. Besonders bei Terrorereignissen unterscheiden sich die Rahmenbedingungen am Ort des Geschehens deutlich von zivilen Katastrophenereignissen: Wesentliche Unterschiede im Verletzungsmuster resultieren vor allem aus dem hohen Umfang an Schuss- und Explosionsverletzungen, welche im klinischen Alltag sehr selten sind. Auch müssen potenzielle Helfer schnell reagieren, da deren Sicherheit nicht zwangsläufig gewährleistet ist, denn je nach Terrorereignis kann zusätzlich die Dynamik am Schadensort sehr hoch sein. [4]
Gemäß der S3-Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. [1] wird als Mittel der Wahl die Anlage eines Fixateur externe für fast alle Extremitätenverletzungen, welche gelenk- und/oder frakturüberbrückende Maßnahmen erfordern, empfohlen, wodurch ein sehr breites Anwendungsspektrum entsteht. Eine Studie zu chirurgischen Indikationen in afghanischen Kriegssituationen zeigte, dass bei über 34 % der Behandelten Knochenbrüche vorlagen [10]. In der Knochenbruchbehandlung unter klinischen Bedingungen stehen dem Operateur dabei eine ausreichende Vorbereitungszeit sowie ein umfangreiches Instrumentarium zur Verfügung, beispielsweise auch Bildverstärker für die interoperative Kontrollbildgebung [7]. Bisher sind in Einsatzfahrzeugen sowie Krankenhäusern meist nur komplexe Systeme vorhanden, welche für den klinischen Alltag ausgelegt sind und oftmals nur von erfahrenen Unfallchirurgen angewandt werden können. Vor allem im Rahmen eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) entsteht so eine Diskrepanz zwischen erforderlichen und verfügbaren Ressourcen zur Notfallversorgung [9]. Die Sicherstellung der Transportfähigkeit von Verletzten wird infolge der Komplexität entsprechender Systeme und dem zeitgleichen Mangel an unfallchirurgisch qualifizierten Medizinern verzögert. Eine Zeitersparnis ist aufgrund der veränderten Bedingungen in Extremsituationen von großer Bedeutung [4], daher sind bei Terrorereignissen und in der Wehrmedizin Fixateur externe-Sets wünschenswert, welche optimal für eine Disaster Recovery Situation ausgelegt sind.
In der vorliegenden Untersuchung sollten deshalb die Potenziale und Grenzen eines für die unfallchirurgische Versorgung von Extremitätenverletzungen entwickelten Fixateur externe-Systems (DiFix®, Firma Aminum) untersuchen, das auch durch nicht unfallchirurgisch qualifizierte Ärzte anwendbar ist. Dabei wurden unter klinischen Bedingungen diverse Indikatoren, wie beispielsweise die Einfachheit der Handhabung, eine minimierte Anzahl von Fehlerquellen sowie Montageschritten und die Montagestabilität eruiert. Da eine Simulation von Extremsituationen mit tatsächlichen praktischen Anwendungsfällen nicht möglich ist, wurde das System anhand von Indikationen im klinischen Alltag getestet und dabei besonders die Unterschiede zu bekannten Fixateursystemen betrachtet.
Disaster Recovery Fixateur
Der Disaster Recovery Fixator (DiFix®) ist ein zugelassenes Medizinprodukt für eine teilweise und/oder vollständige temporäre Fixierung von offenen oder instabilen Frakturen (siehe Abbildung 1). Seine Anwendung ist für alle Extremitätenverletzungen sowie im Bereich des Beckens möglich. Darüber hinaus kann das System eingesetzt werden, wenn Weichteilverletzungen den Gebrauch anderer Frakturbehandlungsmethoden, wie beispielsweise Gipsverbände, einschränken. Die grundsätzlichen Indikationen des DiFix® entsprechen somit bereits existierenden Fixateursystemen [2].
Abb. 1: Aufbau DiFix®-System mit vormontierten Pins: Das eingeblendete mittlere Bild zeigt die Klemme im Detail, links ist die Zentrier-Bohrspitze der Pins vergrößert dargestellt
Im Vergleich mit anderen Fixateursystemen ist der Umfang der benötigten Komponenten beim DiFix® deutlich reduziert (siehe Abbildung 2).
Abb. 2: Alle Komponenten passen steril verpackt in eine Einmal-Wickeltasche (A/B). Nach Öffnen der Folie steht ein 1x1 m großes steriles Tuch als Ablage zur Verfügung. Im Set sind u. a. 3 vormontierte Klemmen (a), 2 Verbindungsstäbe (b) und eine Gewebeschutzhülse (c) zur Positionierung der Pins. Ferner ist eine Handkurbel (d) enthalten, mit der die Pins eingedreht werden können. Pins und Verbindungsstab werden über ein vormontiertes Klemmelement verbunden (C); es stehen 4 Pin-Typen zur Verfügung (D).
Der DiFix® besteht nur aus wenigen Komponenten:
- Knochenschrauben „DiFix® Pin“: zur perkutanen Implantation in den Knochen (Werkstoff: Titanlegierung Ti6Al4V),
- Verbindungsstäbe „DiFix® Rod“: mit Ø11 mm als Verbindungselemente zwischen den Verbindungsklemmen (Werkstoff: Aluminium AlMgSi1),
- Klemmelement „DiFix®-Clamp“: aus Aluminium-Scheiben, die mittels einer hochfesten Titan-Achse zusammengehalten werden. Zudem sind Federelemente aus Edelstahl verbaut, welche dazu dienen, die Verzahnung aus dem Eingriff zu halten, solange die Klemme noch nicht festgezogen ist, damit die freie Beweglichkeit der Klemme während der Montage sichergestellt ist (Werkstoffe: Aluminium AlMgSi1, Titan Ti6Al4V ELI, Edelstahl 1.4310 X10CrNi18–8).
Im Unterschied zu anderen Fixateur externe-Systemen enthält das DiFix®-System nur eine Klemme zur Verbindung von Pins und Verbindungsstab, welche einsatzbereit vormontiert vorliegt. Durch diese technische Lösung wird die Anzahl der Montageschritte reduziert sowie die Gefahr von Verwechslungen eliminiert. Sämtliche Freiheitsgrade werden mit nur einem Handrad (K1) fixiert; dieses kann intraoperativ ohne Spezialwerkzeuge mehrfach gelöst und erneut fixiert werden. Das Festziehen des Handrads erfolgt über den zugehörigen Knebel oder ein Hilfsmittel (z. B. Pin) als Knebel. Dieser Mechanismus soll die Anwendung in Extremsituationen weiter vereinfachen. Die profilierten Stäbe und die gleich profilierte Klemme gehen durch diesen Formschluss schon bei geringen Klemmkräften eine stabile Verbindung ein, weshalb ein Anziehen der Schraube von Hand in den meisten Fällen bereits ausreicht.
Das System wurde einer Anwendungsbeobachtung unter klinischen Bedingungen unterzogen, deren Ergebnisse im Folgenden vorgestellt werden.
Evaluation in der klinischen Praxis
Die Erfassung der Daten erfolgte anhand der Patientenakten im Zeitraum vom 9. November 2020 bis zum 26. Januar 2021 im Heinrich-Braun-Klinikum Zwickau, einem überregionalem Traumazentrum [5]. Die Bewertung der Handhabung mittels eines Evaluationsfragebogens erfolgte durch die durchführenden Operateure direkt nach dem Eingriff sowie erneut im weiteren Behandlungsverlauf.
Evaluationsfragebogen
Der Fragebogen umfasste zwei Teile: Teil 1 war direkt nach dem Eingriff vom Operateur auszufüllen und umfasste die Bewertungskriterien:
- „Universelle Verwendbarkeit“,
- „Einfache Handhabung“,
- „Minimierte Anzahl von Fehlerquellen“,
- „Minimierte Anzahl von Montageschritten und Werkzeugen“,
- „Setzen der Pins“,
- „Montage der Klemmen und Stäbe“,
- „Reposition möglich?“,
- „Ausreichende Stabilität der Montage, Ausreichende Stabilität der Knochenverankerung“ sowie
- „Transportfähigkeit des Patienten“.
Teil 2 des Evaluationsfragebogens umfasste die Bewertung des zuständigen Operateurs im Behandlungsverlauf. Hierzu wurde als Zeitpunkt die Demontage des DiFix® beziehungsweise eine notwendige Verlegung des Patienten herangezogen. Die Bewertung erfolgte dabei unmittelbar nach Demontage des DiFix®. Dabei wurden erneut die Merkmale „Universelle Verwendbarkeit“ und „Einfache Handhabung“ erfasst. Darüber hinaus erfolgte eine Beurteilung der Kriterien:
- „Transportfähigkeit mit Montage“,
- „Patientenzufriedenheit“,
- „Stabilität der Montage weiterhin gegeben“,
- „Stabilität der Knochenverankerung weiterhin gegeben“,
- „Keine Lockerung Pins“ sowie
- „Keine Pin-Infektion“.
Die Kriterien wurden jeweils auf einer vierstufigen Skala bewertet, wobei folgende Merkmalsausprägungen möglich waren:
- „Erwartungen/Anforderungen voll erfüllt“,
- „Erwartungen/Anforderungen weitgehend erfüllt“,
- „Erwartungen/Anforderungen eingeschränkt erfüllt“ sowie
- „Erwartungen/Anforderungen nicht erfüllt“.
Patienten- und Verletzungscharakteristika
Im Untersuchungszeitraum wurden 35 Patienten1 (Alter 15 bis 80 Jahre) mit dem DiFix®-System versorgt und die Versorgung anhand des Evaluationsfragebogens bewertet. Insgesamt 23 Patienten waren männlich und 11 weiblich.
Die Unfallarten der behandelten Personen wurden gemäß den Vorgaben des Traumaregisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) [3] kategorisiert:
- Sturz mit Fallhöhe ≥ 3 m (n = 5),
- Sturz mit Fallhöhe < 3 m (n = 7), ebenerdiger Sturz (n = 1), PKW-Insasse (n = 4), LKW-Insasse (n = 1),
- Motorrradfahrer/-sozius (n = 5),
- Fahrrad (n = 3),
- Fußgänger angefahren (n = 4) sowie
- sonstige Unfälle (n = 5).
Zu den sonstigen Unfällen zählten ein Distorsionstrauma, der Fall eines Wärmetauschers auf die Unterschenkel, Gerinnungsstörungen unter Alkoholintoxikation, der Fall eines Baumes auf die Person sowie das Anfahren durch einen Gabelstapler. Um die Anwendung des DiFix®-Systems bei verschiedenen Verletzungsmustern zu bewerten, wurde zudem eine Einteilung nach den Körperregionen vorgenommen, an welchen der DiFix® angewandt wurde (siehe Abbildung 3). In zwei Behandlungsfällen erfolgten dabei Montagen an mehreren der dargestellten Körperregionen, sodass während des gesamten Beobachtungszeitraums 38 Montagen durchgeführt wurden.
Im Untersuchungszeitraum konnten verschiedene Optionen der DiFix®-Montage realisiert werden (siehe Abbildung 4). Auch konnte das DiFix®-System in komplexen Fällen erfolgreich als Hybridlösung zusammen mit anderen Fixateursystemen (z. B. Hoffmann 2) angewandt werden.
Bewertung DiFix® nach Montage
Die Evaluation der Handhabung des DiFix®-Systems erfolgte durch die Operateure. Unter diesen waren sowohl erfahrene Fachärzte als auch Assistenzärzte ohne Erfahrungen im Umgang mit Fixateursystemen, welche die Montage unter Anleitung eines unfallchirurgischen Facharztes durchführten. Dies ermöglichte die Untersuchung der Handhabbarkeit des Systems durch Mediziner mit geringerer unfallchirurgischer Praxiserfahrung.
Das Einbringen der Pins, insbesondere im Oberschenkelbereich, erfolgte teilweise unter Verwendung einer Bohrmaschine. Die Eindrehmomente überstiegen dabei teilweise die mögliche Maximalkraft der Maschineneintriebe, sodass das vollständige Eindrehen des Pins dann mittels der im Instrumentarium enthaltenen Handkurbel erfolgte. Als besonders hilfreich wurde die speziell konzipierte Gewebeschutzhülse empfunden, welche problemlos eine Positionierung der beiden Pins im korrekten Abstand ermöglichte (Abbildung 5).
Abb. 5: Klappbare Gewebeschutzhülse mit Trocar
Die Montage der Verbindungsstäbe zwischen den Klemmen und die Ausrichtung des Fixateursystems waren durch das Konzept der vormontierten Klemmen deutlich vereinfacht. In der klinischen Anwendungsphase konnten alle üblichen Fixateurmontagen im Extremitätenbereich realisiert werden (siehe Anwendungsfälle).
Bei einem Großteil der Operationen wurde angegeben (n = 32), dass der DiFix® die Anforderungen hinsichtlich einer universellen Verwendbarkeit voll erfüllt (siehe Tabelle 1). Die einfache Handhabung, welche in Extremsituationen besonders zu einer Zeitersparnis beitragen soll, bewerteten 29 Operateure als „voll erfüllt“, weitere 6 als „weitgehend erfüllt“.
Des Weiteren wurden die behandelnden Ärzte gebeten einzuschätzen, ob die Anzahl der Fehlerquellen gegenüber „normalen“ Fixateur externe-Systemen gemindert ist. Dies wurde von der Mehrheit (n = 31) nach der Montage als „vollkommen erfüllt“ bewertet. In weiteren drei Fällen wurde das Kriterium als „weitgehend erfüllt“ und in einem Fall als „eingeschränkt erfüllt“ bewertet. Ebenso wurde in allen 35 Fällen die minimierte Anzahl der Montageschritte durch die Operateure bestätigt.
Bei den ersten Anwendungen wurden nach dem Setzen der Pins Deformierungen an der Zentrierspitze beobachtet. Nach Designkorrektur durch den Hersteller wurde dieses Problem behoben. Im Vergleich zur Stabilität der Montage im Allgemeinen war jedoch die Stabilität der Knochenverankerung bei allen Patienten zumindest weitgehend (n = 3) gewährleistet.
Die Transportfähigkeit nach der Montage war bei allen behandelten Fällen ohne Einschränkungen gegeben. Darüber hinaus konnte das DiFix®-System bei einem Patienten mit Fraktur des Tibiaschaftes linksseitig ohne Anwendung eines Bildverstärkers im Schockraum montiert werden. Eine weitere Montage im Schockraum erfolgte am Oberschenkel, hierbei jedoch mit Bildverstärker.
Bewertung des DiFix® im Behandlungsverlauf
Von den 35 mit dem DiFix® durchgeführten Behandlungen, konnten alle Fälle abschließend bewertet werden. Ein Patient wurde vorübergehend entlassen.
Nach Demontage oder Verlegung konnte bei allen 35 Fällen die universelle Verwendbarkeit des Systems bestätigt werden (siehe Tabelle 2). Die Frage nach einer einfachen Handhabung wurde für nahezu alle Fälle (n = 33) von den Unfallchirurgen als voll erfüllt bewertet, von zwei weiteren als weitgehend erfüllt. Verglichen mit herkömmlichen Fixateur externe-Systemen wurde von den Behandlern kein Unterschied in Bezug auf die Patientenzufriedenheit angegeben. Komplikationen im späteren Behandlungsverlauf ergaben sich vor allem hinsichtlich der Stabilität der DiFix®-Montage. In zwei Fällen konnte diese nicht ausreichend und in einem Fall nur eingeschränkt gewährleistet werden. Bei einem Patienten, bei dem eine Fraktur des Tibiakopfes vorlag, kam es in diesem Zusammenhang zwei Mal zu einer Lockerung der proximalen Backe. Auch kam es bei einem Patienten mit geschlossener Femurschaftfraktur trotz Nachziehen der Klemmbacke mehrfach zu einer Backendislokation. In Konsequenz daraus erfolgte bei der Montage am Oberschenkel regelhaft eine Doppelstabmontage. Bei dieser Montageform wurden keine Lockerungen der Klemmen mehr beobachtet. Mögliche Ursache der Klemmenlockerung war im Einzelfall ein nicht korrektes Einrasten der Klemme in die Rillen des Verbindungsstabes. Das Kriterium „keine Pinlockerung“ wurde im Behandlungsverlauf in 33 Fällen vollständig und in 2 Fällen weitestgehend als gewährleistet angesehen. Pin-Infektionen traten bei keinem der Patienten als Komplikation auf. Die Transportfähigkeit mit dem montierten DiFix®-System war in allen 35 Fällen auch im Behandlungsverlauf jederzeit gewährleistet.
Tab. 2: Bewertung des DiFix®-Systems nach Demontage/Verlegung
Ergänzende klinische Bewertungen
Bei drei Patienten, welche Verletzungen im Rahmen eines Polytraumas erlitten, bestand die Indikation zu einer MRT-Untersuchung in anderen Körperregionen. Unter kritischer Risikoabschätzung (MRT mit 1,5 T Feldstärke, Verwendung nicht magnetischen Materials und keine Induktionsschleifen) erfolgte bei diesen Patienten ein MRT bei liegendem DiFix®. In allen Fällen traten dabei keine Beeinträchtigungen/Komplikationen auf.
Limitierungen
Methodenkritisch wäre einzuschränken, dass die Anwendungsbeobachtung des DiFix® bisher nur im klinischen Umfeld unter entsprechenden standardisierten Bedingungen stattfand. Damit sind noch keine endgültigen Übertragungen auf Extremszenarien möglich. Aufgrund der fehlenden Datenlage konnte zudem die in Notsituationen besonders relevante Zeitersparnis nur subjektiv erfasst und nicht genau quantifiziert werden. Dies müsste in weiterführenden Studien im Vergleich zu bisher etablierten Fixateur externe-Systemen untersucht werden.
Schlussfolgerungen
Der DiFix® erwies sich als in der unfallchirurgischen Praxis geeignetes Fixateursystem, welches gelenk- und frakturüberbrückend eingesetzt werden kann. Im Vergleich zu etablierten Fixateur externe-Systemen liegen bedeutende Vorteile in der minimierten Anzahl an Montageschritten, welche die Montagezeit verkürzen. Dabei fanden sich keine wesentlichen Nachteile im Vergleich zu komplexeren Systemen [6][8]. Anfängliche technische Probleme des Systems beim Einsatz der Handkurbel sowie hinsichtlich der ausreichenden Stabilität der DiFix®-Montage im Behandlungsverlauf wurden durch den Hersteller technisch nachgebessert und traten im Verlauf nicht mehr auf.
Im Rahmen der Untersuchung konnte der DiFix® darüber hinaus auch im Schockraum oder ohne Bildverstärker eingesetzt werden. Außerdem war die Montage durch unfallchirurgisch nicht erfahrene Mediziner (unter fachärztlicher Supervision) problemlos möglich, was sowohl für eine Anwendung des DiFix® in Terror- und Katastrophenszenarien, aber auch im wehrmedizinischen Kontext spricht.
Kernaussagen
- Der DiFix® ist das bislang einzige System, bei dem zwei Pins direkt in jeweils eine Klemme integriert werden.
- Durch die verringerte Komplexität kann durch den DiFix® eine Zeitersparnis bei der Herstellung der Transportfähigkeit erzielt werden.
- Der Formschluss zwischen Klemme und Stab bewirkt bereits nach dem Festziehen von Hand eine sehr hohe Primärstabilität.
- Die Anwendung ist auch durch unfallchirurgisch wenig erfahrene Mediziner möglich.
- Die Evaluation des DiFix® in der klinischen Praxis lässt auf seine Eignung in Terror-und Katastrophenszenarien sowie in Einsatzsituationen schließen.
Literatur
- Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF): S3 - Leitlinie Polytrauma/Schwerverletzten-Behandlung nach Stand 07/2016 (AWMF-Register 012/019). Berlin 2016: Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie. mehr lesen
- Berdel P: Orthopädie und Unfallchirurgie. Stuttgart 2010: Georg Thieme Verlag.
- Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU): Traumaregister - Standardbogen V2020 (06/20)., letzter Aufruf 2. Januar 2022. mehr lesen
- Friemert B, Franke A, Schwab R, Hinck D, Achatz G: Chirurgische Versorgungsstrategien beim TerrorMANV. Notfall+Rettungsmedizin 2018; 21(4): 278-288. mehr lesen
- Heinrich Braun Klinikum Zwickau. Überregionales Traumazentrum. , letzter Aufruf 20. Februacr 2022. mehr lesen
- Hernigou P: History of external fixation for treatment of fractures. International orthopaedics 2017; 41(4): 845–853. mehr lesen
- Kamin K, Rammelt S, Kleber C, Marx C, Schaser KD: Fixateur externe: temporäre Fixation und Weichteilmanagement am oberen Sprunggelenk. Operative Orthopädie und Traumatologie 2020; 32(5): 421-432. mehr lesen
- Varady PA, Greinwald M, Augat P: Biomechanical comparison of a novel monocortical and two common bicortical external fixation systems regarding rigidity and dynamic stability. Biomedizinische Technik. Biomedical engineering 2018; 63(6): 665–672. mehr lesen
- Werner S, Springborn C, Münzberg M, Gather A: Präklinisches Vorgehen bei Massenanfall von Verletzten und Erkrankten (MANV) und Terror-MANV. Trauma und Berufskrankheit 2018; 20: 159–170. mehr lesen
- Wichlas F, Hofmann V, Strada G, Deininger C: War surgery in Afghanistan: a model for mass causalities in terror attacks? International Orthopaedics (SICOT) 2020; 44(12): 2521–2527. mehr lesen
Erklärung zum Interessenkonflikt
Alle Autoren erklären, dass keine Interessenkonflikte gem. dem International Committee of Medical Journal Editors bestehen.
Manuskriptdaten
Eingereicht: 2. März 2022
Nach Überarbeitung angenommen: 24. April 2022
Zitierweise
Brückner A, Klewer J, Wolf-Kipping A, Martin A, Karich B, Reske S: Unfallchirurgische Anwendungsbeobachtung des Fixateursystems DiFix® (Originalarbeit). WMM 2022; 66(6-7): 233-239.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-22
Für die Verfasser
Anja Brückner
Westsächsische Hochschule Zwickau
Fakultät Gesundheits- und Pflegewissenschaften
Kornmarkt 1, 08056 Zwickau
E-Mail: anja-brueckner@gmx.de
Manuscript data
Submitted: March 2, 2022
After revision accepted: April 24, 2022
Citation
Brückner A, Klewer J, Wolf-Kipping A, Martin A, Karich B, Reske S: Application testing of the fixator system DiFix® in trauma surgery. WMM 2022; 66(6-7): 233-239.
DOI: https://doi.org/10.48701/opus4-22
For the authors
Anja Brückner
University of Applied Sciences Zwickau
Health and Healthcare Sciences
Kornmarkt 1, 08056 Zwickau
E-Mail: anja-brueckner@gmx.de
1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im vorliegenden Artikel das Generische Maskulinum verwendet. Soweit es sich nicht um einen explizit aufgeführten Fall handelt, gelten sämtliche Angaben für alle Geschlechter.